»Santa Evita«? Eva Perón wird bis heute von vielen in Argentinien als Heilige verehrt. Die jung verstorbene Präsidentenehefrau ist vor allem durch ihre öffentlichen Auftritte, ihre Volksnähe sowie ihren Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Frauenrechte berühmt geworden. Doch die Art, wie sie und ihr Ehemann, Präsident Juan Perón, diese Politik führten, stand und steht bis heute in der Kritik: Der Peronismus der 1940er und 50er Jahre schwankt zwischen Kapitalismus, Kommunismus und Sozialismus und ist durchzogen von faschistoiden, diktatorischen und populistischen Ideologien, von Propaganda, Zensur, Autokratie, Folter, Militärmacht und Nationalismus. Eine Nähe zum europäischen Faschismus liegt auf der Hand.
Die Beziehung zu Eva, genannt Evita, kam dabei beiden mehr als zugute: Sie konnte im Rampenlicht stehen und sich für »Gerechtigkeit« einsetzen – so beschreibt Evita in ihrer Autobiographie ihren Antrieb –, und Juan Perón erhielt durch sie ein wichtiges Sprachrohr.
Juan Perón
»EineeiserneDiktaturwarinDeutschlandnotwendig,umdieLeuteVerzichtzulehren,damitdasbeachtlicheProgrammumgesetztwerde.DasselbewirdinArgentiniengetan.«

Eva Perón
»Solangeichmicherinnernkann,schmerztjedeUngerechtigkeitmeineSeele.«
Aber wie kam es dazu? María Eva Ibarguren wird am 7. Mai 1919 als uneheliches Kind im dörflichen Los Toldos geboren und wächst in ärmlichen Verhältnissen in Junín, westlich von Buenos Aires, auf. Den Namen »Duarte« des Vaters nimmt die Familie erst im Laufe der Zeit an. Mit 15 Jahren zieht es Evita in die Großstadt nach Buenos Aires: Ab da beginnt ihre Karriere als Model, Radiomoderatorin und Schauspielerin – jedoch mit eher mäßigem Erfolg. Ihre Bekanntheit wächst dennoch: Sie erscheint auf einem Zeitschriftencover, kann sich neben einigen Filmrollen beim Radio durchsetzen, wo sie eine Sendung über berühmte Frauen erhält, und begegnet einflussreichen Personen.
Am 22. Januar 1944 lernt Evita schließlich den neuen Staatssekretär für Arbeit, Juan Perón, bei einer Wohltätigkeitsgala für die Opfer des Erdbebens von San Juan kennen. 1945 nach Demonstrationen für Demokratie wird Juan Perón – auch zum eigenen Schutz – inhaftiert. Die »Descamisados« (Hemdenlosen) organisieren einen Volksaufstand, woraufhin er freigelassen wird und mehr Macht erhalten soll. Evita und er heiraten, und 1946 wird Juan Perón vor allem von Arbeitern und Gewerkschaftern zum Präsidenten gewählt.
Eva Perón
»IchwarundbinnichtsweiteralseinebescheideneFrau.[…]UnderwarundistderriesigeKondor.[…]WäreernichtzumirherabgestiegenundhättemirdasFliegenaufeineandereArtbeigebracht,hätteichnieerfahren,waseinKondorist,nochhätteichjemalsdiewunderbareundgroßartigeUnermesslichkeitmeinesVolkeserblickenkönnen.«
Evita mischt sich fortan auch in die Politik ein, was dem Militär um Juan Perón ein Dorn im Auge ist. Nicht Evita ist jedoch die Durchsetzung des Frauenwahlrechts in Argentinien zu verdanken, doch wird es so inszeniert: Eigentlich wurde das Frauenwahlrecht schon länger eingefordert und sollte laut panamerikanischem Beschluss inzwischen überall ermöglicht werden, weshalb es Juan Perón auf sein Parteiprogramm setzte. Evita wird 1947 feierlich das neue Gesetz überreicht. Von da an engagiert sie sich auch feministisch, indem sie zum Beispiel 1949 die Partei »Peronista Feminino« (PPF) ins Leben ruft. Im Juni 1947 startet zudem die »Regenbogentour« nach Europa, bei der Evita den Peronismus nach lauter werdenden Vorwürfen des Faschismus politisch im ›richtigen‹ Licht präsentieren und für diese Politik werden soll. Sie trifft u. a. auf Francisco Franco und Papst Pius XII. 1948 gründet Evita eine Wohltätigkeitsstiftung und fördert sozial Benachteiligte. Diese Erfolge werden jedoch alsbald überschattet von der Diagnose Gebärmutterhalskrebs. Der Wunsch, bei den anstehenden Wahlen als Vizepräsidentin anzutreten, werden dadurch sowie durch das Militär vereitelt. Am 26. Juli 1952 stirbt sie mit nur 33 Jahren an der Krankheit – das ganze Volk trauert. Juan Peróns Regime wird 1955 gestürzt; er kommt jedoch 1973 noch einmal an die Macht, stirbt allerdings kurze Zeit später.
Evitas Leben sollte die Menschen hingegen noch viel länger beschäftigen: Ihre Leiche verschwand für fast zwei Jahrzehnte, bis sie 1976 auf dem Friedhof La Recoleta in Buenos Aires beigesetzt wurde. Im gleichen Jahr veröffentlichten Andrew Lloyd Webber und Tim Rice die erste Aufnahme des Musicals »Evita« mit Singleauskopplung des berühmten Songs »Don’t Cry for Me Argentina«. Das Musical selbst wurde am 21. Juni 1978 im Prince Edward Theatre in London uraufgeführt. Darin wird Evitas Leben mit ihren Höhen und Tiefen gezeigt, inklusive kritischer Kommentare von der dazuerfundenen Figur Che in Anspielung an Che Guevara. Es folgten Bücher, Filme, Serien usw. Die (Schein-)Heilige Evita ist unsterblich geworden!
