Mit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes verbessert Deutschland die Situation für trans* Personen und AMY bringt als erste trans* Darstellerin in der Musikalischen Komödie das trans* Musical »Ein wenig Farbe« auf die Bühne. Wir haben sie dazu befragt.
Was verbirgt sich hinter dem Kammermusical »Ein wenig Farbe«?
In diesem besonderen Ein-Frau-Musical begleiten wir das erste Mal in der Musicalgeschichte eine trans* Frau auf ihrer Reise zu ihrem wahren Selbst und erleben, wie die Menschen in ihrem Leben auf eben dieses Selbst reagieren, sich entwickeln und verändern. Wir treffen auf Missverständnisse, Unwissenheit, Zuneigung und Entwicklung in Hinsicht auf die medizinischen und seelischen Veränderungen während der Transition von Helena bei ihr selbst und den anderen Figuren. Das Musical wird dadurch sehr nahbar und vermittelt sensibel auch einem nicht mit Thema vertrauten Publikum, was es bedeutet, trans* zu sein.
Wie viel oder wenig Helena steckt in AMY?
In vielen Dingen ähneln wir uns, in vielen Dingen aber auch wieder nicht. Ich bin z. B. keine Mutter. Ich habe meine Transition auch viel früher begonnen. Ich kann also differenzieren, was ich aus meiner Biografie schöpfen kann und was ich neu erschaffen muss.
Ist es für dich eine große Herausforderung, diese Rolle zu verkörpern?
Es geht mir als Darstellerin natürlich sehr nah, weil diese Transition Teil meines Lebens ist und für immer bleiben wird. Viele Dinge, die Helena erlebt hat, habe auch ich erlebt und erleben viele trans* Personen jeden Tag auf der ganzen Welt. Es gibt Momente in der Show, die mir emotional sehr nahe gehen, aber ich benutze diese Emotionalität, um die Geschichte wahrhaftig zu machen. Ich hoffe genau dadurch einen neuen Zugang für das Publikum zu Helenas Geschichte zu bieten.
Am 1. November 2024 tritt das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Was bedeutet das?
Das Selbstbestimmungsgesetz (kurz SBGG) bedeutet sehr viel für trans* Personen in Deutschland. Um den Vornamen und den Geschlechtseintrag zu ändern, mussten wir zuvor das TSG (Transsexuellengesetz) durchleben. Zum einen entspricht der Begriff »transsexuell« nicht mehr dem korrekten Sprachgebrauch: Geschlechtsidentität, also trans*, hat nichts mit Sexualität zu tun. Zum anderen verursachte das TSG hohe Kosten in Höhe von 1000 € bis hin zu 8000 €.
Viele Dinge, die Helena erlebt hat, habe auch ich erlebt und erleben viele trans* Personen jeden Tag auf der ganzen Welt.
AMY
Was musste man beim TSG genau durchleben?
Bis 2011 mussten sich trans* Personen, um den Vornamen und den Geschlechtseintrag ändern zu lassen, sowohl scheiden als auch kastrieren lassen. Daneben bedeutet das TSG auch Gutachten erstellen zu lassen, um dem Gericht zu beweisen, dass man wirklich trans* ist. Diese Gutachten sind geprägt von Fragebögen, die absurde und erniedrigende Fragen beinhalten wie »Wie oft masturbieren Sie?«, »Erregt es Sie, wenn Sie anderen Menschen beim Sex zusehen? « oder »Fühlen Sie sich in der Fantasie von nackten Kindern sexuell erregt?«.
Wie nimmst du in Bezug darauf die aktuelle politische Situation wahr?
Politisch verändert sich dadurch zwar viel, allerdings auch in die falsche Richtung: Der Rechtsruck ist sehr groß. Das SBGG ist auf viel Kritik gestoßen, u. a. weil trans* Personen vorgeworfen wird, sich dadurch in geschützte Räume einzuschleichen. Keine trans* Person, die ich kenne, hat ernsthaftes Interesse daran, dass andere Menschen sich in ihrem Umfeld unwohl fühlen. Wir sind es eher, die sich unwohl fühlen. Es gibt statistisch keine aufgezeichneten Übergriffe von trans* Personen. Die Gewalt an trans* Personen und generell an queeren Personen steigt hingegen immer mehr an. Wir nehmen niemandem etwas weg, wir möchten einfach nur Würde, Respekt und Sichtbarkeit.
Wie ist es für dich, als erste trans* Frau »Ein wenig Farbe« zur Aufführung zu bringen?
Es ist ein großer und besonderer Schritt, dass die Musikalische Komödie mich gefragt hat, dieses Stück zu spielen. Dies ist eine wichtige Veränderung. Ich würde sogar sagen, dass das Haus damit etwas Revolutionäres im deutschsprachigen Musicalraum erschafft. Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit. Wir haben keine trans* Frauen in unserem Business, die in großen weiblichen Rollen auf der Bühne stehen. Warum das so ist, habe ich schon sehr oft beantwortet und werde nicht müde es zu tun.
Wir nehmen niemandem etwas weg, wir möchten einfach nur Würde, Respekt und Sichtbarkeit.
AMY
Gern nochmal für uns!
Man traut es uns einfach nicht zu. Ich glaube, mit dem Wissen, dass die Person, die vor einem steht, trans* ist, verändert sich der Blickwinkel. Viele Menschen würden es bei der ein oder anderen Person gar nicht bemerken. Plötzlich entsteht wieder eine gewisse Form von Ausgrenzung. Diese beginnt schon damit, dass Theaterleitende mit der Ausrede der Stimmlagen daherkommen.
Inwiefern Ausrede?
Was stimmt, ist, dass trans* Frauen, die nach dem Stimmbruch ihre Transition begonnen haben, ihren Stimmklang nicht mehr verändern können. Die Sprechstimme kann durch logopädische Behandlung dem weiblichen Stimmklang angepasst, aber die Gesangsstimme nicht verändert werden. Partien müssten transponiert werden. Das macht die Oper seit hunderten von Jahren – das Musical nicht.
Hast du ein Beispiel?
In der Oper haben wir bereits trans* Baritonessen. In der Schweiz gab es letzte Spielzeit eine Oper über die trans* Frau Lili Elbe (bekannt durch den Film »The Danish Girl«), welche auch von einer trans* Frau gesungen wurde.
Redet mehr, umarmt euch mehr, küsst euch mehr, liebt euch mehr!
AMY
In Bezug darauf wird auch über »Ein wenig Farbe« diskutiert. Deine Meinung zur Besetzung?
»Ein wenig Farbe« wurde bisher vorwiegend von cis-Männern gespielt. Klar sagen die einen: »Jede*r sollte alles spielen dürfen.« Dem stimme ich zu. Leider ist das Credo, dem wir folgen, aber immer noch: »Weiße cis-Männer sollten alles spielen dürfen.« Haben Männer nicht genügend Rollenmaterial in der Theaterliteratur? Die Zeit, in der eine trans* Frau von Männern in Kleidern und schlechtsitzenden Perücken dargestellt wird, ist nun wirklich vorbei. Ich möchte so nicht repräsentiert werden – ich bin eine Frau.
Deine Wunschrolle?
Meine absoluten Traumrollen sind Lady Macbeth und Mrs. Danvers aus »Rebecca«.
Dein größter Wunsch für die Zukunft?
Viel mehr Liebe auf dieser Welt. Liebe wider den Hass! Denn was bringt uns das? Spaltung, Krieg, Machtmissbrauch. Redet mehr, umarmt euch mehr, küsst euch mehr, liebt euch mehr!
Ein wenig Farbe
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