3 Fragen an Anselm Hartinger

Der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums im Interview
Montag 07.04.2025
Anselm Hartinger
Anselm Hartinger | © Mahmoud Dabdoub
Welche Melodie fällt Ihnen ein, wenn Sie an Albert Lortzing denken?

Natürlich van Betts einschmeichelnd ironische Kantilene »Oh, ich bin klug und weise, und mich betrügt man nicht« aus »Zar und Zimmermann« – die mich zugleich daran erinnert, dass man sich in Dienst und Amt nicht auf zu hohe Rösser setzen sollte. Wie Lortzing diese blasierte Ignoranz und so eine bestimmte Art von kleinstädtischer »Gefolgschaftdenke« entlarvt, ist von zeitloser Aktualität.

Wie sah die Stadt Leipzig zu Lortzings Lebzeiten aus? Und wer waren die prägenden Persönlichkeiten?

Leipzig im Vormärz war eine aufstrebende Stadt mit überregionaler Wirtschafts- und Kulturorientierung, die unter den engen Grenzen einer restaurativen Landespolitik ächzte, sich davon aber weder entmutigen noch vom wachsenden Eisenbahnnetz abhängen ließ. Eine Stadt der Bücher und Zeitungen, ein Ort der konstruktiv-liberalen Opposition und zugleich ein Ort, an dem sich auch die gesellschaftlichen Folgen der beginnenden Industrialisierung erstmals zeigten und ab den 1840er Jahren in soziale Reformbewegungen mündeten, zu denen später etwa die junge Louise Otto gehörte.

Die Stadt wurde von einem Netzwerk liberaler Wirtschafts- und Beamteneliten geprägt und vorangetrieben – Visionäre wie die Eisenbahnpioniere Friedrich List und Gustav Harkort und der am Beginn seiner Laufbahn stehende Industrielle und Quartiersentwickler Carl Heine gehörten dazu ebenso wie Kreisdirektor von Falkenstein, die Verlegerbrüder Härtel oder die Gewandhausdirektoren Keil und Schleinitz. Die dominierende Künstlerpersönlichkeit im Leipzig der 1830er und 1840er Jahre war sicher Felix Mendelssohn Bartholdy; dazu kamen Menschen wie die Pianistin Clara Wieck, die Sängerin und Salonnière Livia Frege und Robert Schumann eher als Musikjournalist. Robert Blum baute sich von seiner Anstellung als Theatersekretär aus nach und nach eine einflussreiche Position in der demokratischen Öffentlichkeit auf.

Warum braucht Leipzig ein Lortzing-Festival?

Der klassische Musikkanon ist auch im Bereich der Oper noch immer zu klein und zu starr, er wird den historisch nachweisbaren Repertoireschwerpunkten und Konjunkturen kaum gerecht. Lortzings seinerzeit populären Spielopern an seiner historischen Wirkungsstätte eine große Bühne zu bieten, leuchtet ein und ermöglicht spannende Entdeckungen. Das Festival bietet zudem Raum, um in Präsentationen und Veranstaltungen auch Lortzings Rolle als Buffo sowie als Musikpartner des Schillervereins sowie der Leipziger Demokratiebewegung zu würdigen. Lortzing war ein Demokrat mit Humor und Bühnenbegabung – was könnten wir heute mehr brauchen. :-)