Ich musste doppelt so gut sein

Bühnenmeisterin Sabine Settekorn über ihren Weg, Widerstände und den Mut, sich durchzusetzen
Nele Winter | Samstag 08.03.2025
Bühnenmeisterin Sabine Settekorn auf der Seitenbühne der Oper Leipzig, im Hintergrund Inspizient Thomas Müller
Bühnenmeisterin Sabine Settekorn auf der Seitenbühne der Oper Leipzig, im Hintergrund Inspizient Thomas Müller | © Tom Schulze

Frauen in technischen Berufen sind noch immer in der Minderheit – besonders in leitenden Positionen. Sabine Settekorn ist Bühnenmeisterin an der Oper Leipzig und sorgt mit ihrem Team dafür, dass hinter den Kulissen alles reibungslos läuft. Ihr Weg dorthin war nicht immer einfach: In einer Männerdomäne musste sie sich behaupten, Widerstände überwinden und sich immer wieder neu beweisen. Im Gespräch gibt sie Einblicke in ihre Karriere, erzählt von Herausforderungen und erklärt, welchen Rat sie allen jungen Frauen in technischen Berufen mit auf den Weg geben möchte.

Sabine, du bist Bühnenmeisterin an der Oper Leipzig – ein Beruf, in dem Frauen immer noch selten vertreten sind. Wie bist du dazu gekommen?

Ursprünglich wollte ich etwas anderes machen. Ich habe in der DDR eine Ausbildung zur Möbeltischlerin in der Werkstatt meines Onkels gemacht. Dann kam die Wende – und alles änderte sich. Ich ging nach West-Berlin und fing bei einer Firma an, die Dekorationsbau für Film und Fernsehen machte. Dort habe ich als Tischlerin gearbeitet, wurde Vorarbeiterin und konnte Erfahrungen sammeln, die später für die Bühne wichtig wurden. Doch irgendwann ging die Firma insolvent, und ich musste mich neu orientieren. Da dachte ich: Warum nicht Bühnenmeisterin? Ich habe die Meisterschule besucht – und das war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Nebenbei habe ich selbstständig als Dekorateurin gearbeitet, zum Beispiel bei der Carmen-Nebel-Show und später als Bühnenmeisterin für Studio Hamburg, wo ich unter anderem Shows von Joko und Klaas betreut habe.

Wie bist du vom Fernsehen zum Theater gekommen?

Ich war irgendwann kurz vor einem Burnout und musste mich selbst aus dem Beruf zurücknehmen. Zum Glück hatte ich als Selbstständige in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Dadurch konnte ich mich ein Jahr lang weiterbilden, zur Ruhe kommen und mich neu orientieren. Nach dieser Phase bin ich durch Zufall an die Deutsche Oper Berlin gekommen. Eine Firma, die Bühnenpersonal vermittelt, suchte eine Krankheitsvertretung – so habe ich als Bühnenmeisterin dort angefangen.

Welche Hürden hast du erlebt – vor allem als Frau in einem technischen Beruf?

Da gab es einige. In meiner Tischler-Ausbildung wurde ich von meinen Kollegen gut akzeptiert. Ich habe meine Arbeit ernst genommen und mich durch Leistung bewiesen. Allerdings musste ich auch doppelt so gut sein wie meine männlichen Kollegen, und von meiner Familie gab es große Bedenken bezüglich meiner Berufswahl. Später, als Bühnenmeisterin, wurde es schwieriger. Ich erinnere mich besonders an meine Zeit an der Deutschen Oper Berlin: Ein Kollege hat mich herablassend behandelt und mich nicht ernst genommen. Auch an der Staatsoper Berlin bekam ich zwar kurzfristige Einsätze als Krankheitsvertretung – aber für eine feste Stelle wurde ich nicht genommen. Warum? Weil ich eine Frau bin. Das wurde mir zwar nicht offen gesagt, aber es war spürbar.

Was mir geholfen hat, war neben meiner Fachkompetenz auch mein Teamgeist.

Wie bist du mit solchen schwierigen Situationen umgegangen?

Oft habe ich Probleme direkt angesprochen. Was mir geholfen hat, war neben meiner Fachkompetenz auch mein Teamgeist. Ich bin überzeugt davon, dass ein guter Bühnenmeister nicht nur technisches Wissen braucht, sondern auch Sozialkompetenz. Man muss ein Team zusammenhalten können. Vielleicht war das meine größte Herausforderung in Leipzig, als ich 2019 hier angefangen habe: Einige meiner männlichen Kollegen waren ziemliche Einzelkämpfer. Ich habe das direkt angesprochen und sie sind darauf eingegangen – heute sind wir ein tolles Team.

Was genau macht eine Bühnenmeisterin eigentlich? Wie sieht dein Alltag aus?

Meine Hauptaufgabe ist es, den reibungslosen Ablauf der Proben und Vorstellungen auf der Bühne sicherzustellen. Ich teile das Team ein, kommuniziere mit der Regie und den Bühnenbildnern. Ich muss immer wissen, was als nächstes passiert, damit alle technischen Abläufe stimmen und auch die Sicherheit auf der Bühne gewährleistet ist. Besonders herausfordernd war zum Beispiel die Produktion der Oper »Der Sturz des Antichrist«. Da gab es viel zu koordinieren – und dann wurde sie nach der Generalprobe wegen Corona gestoppt. Anderthalb Jahre später haben wir sie endlich auf die Bühne gebracht. Es hat alles genauso funktioniert, wie ich es damals geplant hatte – das war ein toller Moment.

Frauen müssen oft mehr leisten, um wirklich ernst genommen zu werden.

Hat sich die Situation für Frauen in deinem Berufsfeld in den letzten Jahren verbessert?

Ein Stück weit ja. Dazu haben auch Frauenquoten beigetragen. Aber Vorurteile gibt es immer noch. Frauen müssen oft mehr leisten, um wirklich ernst genommen zu werden. Ich merke aber auch, dass die nächste Generation von Frauen selbstbewusster auftritt. Wir haben hier eine junge Kollegin in der Ausbildung – sie ist engagiert, klug, und ich bin sicher, dass sie ihren Weg gehen wird.

Welchen Tipp würdest du jungen Frauen geben, die eine Karriere als Bühnenmeisterin oder in einem technischen Beruf anstreben?

Ganz klar: Selbstbewusstsein. Geht mit Überzeugung in diesen Beruf und lasst euch nicht einschüchtern. Wenn es nicht sofort klappt, gibt es viele Wege in die Branche – zum Beispiel über die Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik. Und vor allem: Dranbleiben. Widerstände wird es immer geben, aber wenn ihr euch nicht unterkriegen lasst, könnt ihr genauso erfolgreich sein wie jeder männliche Kollege.