Sandra, Marie – ihr seid die neue Leitung der Jungen Oper Leipzig/360°. Wie kam es dazu und was hat euch zu diesem Schritt bewegt?
Sandra: Wir kennen uns schon seit Kindertagen und wir haben über die Jahre immer wieder beruflich und privat zusammengefunden. Ich habe die Ausschreibung gesehen und den Impuls gehabt: Das will ich mit Marie machen. Die Junge Oper/360° bietet uns einen Ort, an dem wir unsere kreativen, pädagogischen und künstlerischen Visionen gemeinsam verwirklichen können.
Marie: Genau! Die Arbeit in der Jungen Oper ist für uns eine großartige Chance, die Grenzen von Oper und Theater weiter auszuloten. Wir wollen nicht nur Kunst machen, sondern auch Gemeinschaften schaffen und Menschen miteinander verbinden.
Ihr kennt euch schon lange – was ist eure schönste Kindheitserinnerung?
Sandra: Da gibt es so viele! Eine, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist, sind die Übernachtungen bei dir zu Hause in dem kleinen Zimmerchen. Wir haben uns so frei gefühlt, weil wir da alleine waren, und ich werde nie vergessen, wie besonders es war, einmal sogar während der Schulzeit bei dir zu übernachten und dann morgens gemeinsam zur Schule zu laufen. Das war für uns etwas ganz Besonderes.
Marie: Dass dir das so in Erinnerung geblieben ist, wusste ich noch nicht! Wie schön, ja, das war so ein verwinkeltes kleines Zimmer! Ich erinnere mich an gemeinsame Sketche, die wir in der Grundschule zu Karneval aufgeführt haben (lacht) und an die Größe des Brotlaibs, den ihr zu Hause hattet. Ich glaube er war wirklich 40cm lang, so erinnere ich es, und eure Brotschneidemaschine fand ich großartig. In meiner Familie haben wir das Brot mit dem Messer geschnitten und dann war es oft an einer Stelle dick an der anderen dünn. Voll doof. Naja, jedenfalls konnten wir bei dir das Brot gleichmäßig schneiden und selbst belegen und da habe ich mich total eigenständig und groß gefühlt.
Wir wollen nicht nur Kunst machen, sondern auch Gemeinschaften schaffen und Menschen miteinander verbinden.
Marie Czilwik
Ihr arbeitet in einem Shared Leadership Modell. Welche Chancen und Herausforderungen bringt das mit sich?
Marie: Die größte Stärke unseres Shared Leadership Modells ist, dass wir zwei sehr unterschiedliche, aber komplementäre Lebensläufe mitbringen. Sandra kommt aus der künstlerischen Opernpraxis, ich aus der Pädagogik und Entwicklung von Bildungskonzepten. Unsere Expertisen und unseren Erfahrungsschatz können wir ganz wunderbar an dieser Stelle als Leiterinnen der Jungen Oper/360° einbringen.
Sandra: Wir ergänzen uns richtig gut. Wir kennen uns nun mal schon so lange. Diese gewachsene Beziehung ist die Basis – wir haben keine Scheu, ehrlich und direkt und authentisch miteinander zu sein. Wir fordern uns gegenseitig heraus und stärken uns in unseren jeweiligen Stärken. Uns vereint das starke Bedürfnis nach Wachstum: Im Spiegel der Anderen können wir uns persönlich und beruflich sehen und weiterentwickeln.
Marie: Wir haben eigentlich die meiste Zeit des Tages unseren persönlichen Coach dabei. Das gegenseitige Spiegeln entspricht unserer Herangehensweise ans Leben: Fragende und neugierig Lernende zu sein, in unserer dialogischen Zusammenarbeit halten wir das lebendig.
Sandra: Eine Herausforderung, die gleichzeitig eine Chance ist, besteht darin, Klarheit darüber zu schaffen, wer von uns welche Entscheidungen trifft und welche Bereiche verantwortet. Wir sind gerade in diesem Prozess, Verantwortungen und Hüte klar zu verteilen, ein sehr lohnenswerter Prozess, wie wir finden.
Marie: Ja, denn wir beide brauchen nun mal eine gemeinsame Sprache, sprich klare Definitionen davon, was wir warum wann machen.
Oper darf mutig, laut und auch mal unangepasst sein.
Sandra Janke
Was ist eure Vision für die Junge Oper/360°?
Marie: Im Moment sind wir mit unserem Team dabei, eine klare Vision zu formulieren. Wir beschäftigen uns beide persönlich und beruflich schon länger mit der Fragestellung, wie wir als Mensch in Verbundenheit kommen. Wenn wir in die Welt blicken, scheint uns Verbundenheit vielerorts abhanden gekommen zu sein. Für uns hat die Junge Oper die Aufgabe, Räume anzubieten, in denen sich jeder und jede willkommen fühlt und sich in der Gemeinschaft im Erleben verbinden kann.
Sandra: Wir haben in Leipzig ein Haus, was eine große Vielfalt an Angeboten für viele verschiedene Zielgruppen hat. Unsere Aufgabe wird es sein, eine Erzählung zu erschaffen, eine Vision, einen roten Faden, um als attraktiven Ort innerhalb der Stadtgemeinschaft für verschiedene Zielgruppen wahrgenommen zu werden.
Welche Themen stehen bei euch im Fokus?
Marie: Inklusion, gleichwürdige Kommunikation und Nachhaltigkeit sind große Themen, die sich durch unsere Arbeit ziehen. Uns geht es weniger um Themenvermittlung, sondern vielmehr darum, Räume zu gestalten, in denen Menschen sich frei entfalten können.
Sandra: Richtig, Oper darf mutig, laut und auch mal unangepasst sein. Wir wollen weg von diesem starren Bild der »ernsten Oper«. Unsere Produktionen sollen lebendig sein und die Zuschauer*innen direkt in den Bann ziehen.
Wenn ihr eine Superkraft hättet, welche wäre das?
Sandra: (lachend) Beamen! Einfach in Sekundenschnelle einen Raum wechseln und eine Gruppe von Menschen in neue Welten transportieren.
Marie: Genau! Wir könnten uns mit unserer ganzen Gruppe an einen Strand beamen und dort das nächste Stück proben, oder in einen magischen Zauberwald. Diese Flexibilität und der ständige Wechsel der Perspektiven – das wäre wirklich unsere Superkraft.
Das klingt nach spannenden Zeiten für die Junge Oper/360°. Vielen Dank für das Gespräch!